Ich sitze wieder mal während eines Nachtdienstes in der Apotheke und sinniere über die Sinnhaftigkeit desselben. Klar, Dienstbereitschaft der öffentlichen Apotheken ist sinnvoll und notwendig, allerdings in welcher Ausprägung?
Denken wir mal die Großstadt Wien, da sind meine Erfahrungen schon recht gut. Derzeit gibt es einen sogenannten 9er Turnus, d.h. alle Wiener Apotheken sind in 9 Gruppen eingeteilt, die gleichzeitig Dienst haben, also haben an jedem Tag, um jede Uhrzeit in der Nacht, an Feiertagen und am Wochenende ca. 35 Apotheken Dienst (320 Apotheken geteilt durch 9). Aber, macht es Sinn, dass zu jeder Zeit die gleiche Anzahl an Apotheken Dienst haben?
Es gibt Zeiten, in denen Nachtdienste häufiger gebraucht werden, also zum Beispiel zwischen 18 Uhr und – sagen wir – 21 Uhr. Bis Mitternacht weniger häufig und nach Mitternacht nur noch selten. Nach Mitternacht habe ich üblicherweise jede 1-2 Stunden 1 Kunden.
An Feiertagen unter Tags ist die Frequenz durchaus gegeben, an besonderen Feiertagen, z.B. der 8. oder 26. Dezember, sogar ziemlich massiv. Anmerkung: Ich hatte in diesem Jahr am 8. Dezember Bereitschaftsdienst und 325 Kunden!! Eindeutig viel für einen Bereitschaftsdienst!

Kleiner Exkurs zum Thema Finanzierung der Nachtdienste: Apotheken sind zu Nachtdiensten verpflichtet und müssen sich diese vollkommen selbst aus eigener Tasche finanzieren. Dies ist jedoch IMMER ein Minusgeschäft (OK, ich gebe zu, bis auf diesen einen omniösen 8. Dezember, aber nur, weil ich selber Dienst hatte 🙂 Es muss der Mitarbeiter entlohnt werden und dies ist meist deutlich höher, als man an Ertrag erwirtschaftet. Noch dazu bekommt der Mitarbeiter eine sogenannte Inanspruchnahmegebühr, also pro Kunde einen Fixbetrag, der höher ist als die Nachtdienstgebühr, die die Apotheke pro Kunde erhält (seit 2018 sogar ab 1 Uhr nachts mehr als 3 mal so hoch!). In anderen Ländern haben die Apotheken entweder gar keinen oder nur selten Nachtdienst oder erhalten vom Staat eine Finanzierung, in Österreich ist es Gesamtpaket des Apothekenvorbehaltes. OK, soll so sein, kein Problem, aber ein finanzielles Minusgeschäft kann niemand von einem Partner verlangen. Erschwerend dazu kommt noch die Tatsache, dass seit 2018 die neue Arbeitszeitrichtlinie der EU in Kraft tritt, die verbietet, dass ein Mitarbeiter mehr als 24 Stunden Dienst macht und dazu zählt (leider) auch der Nachtdienst. Das bedeutet, ein Mitarbeiter, der normalerweise 2 Tage hintereinander arbeitet und dazwischen Nachtdienst macht, MUSS sich nun am 2. Tag freinehmen, um die 24h Dienst nicht zu überschreiten und ein anderer Mitarbeiter, der an diesem Tag eigentlich keinen Dienst machen würde (weil er z.B. ein Kind betreuen muss), MUSS einspringen. So wie hier bereits beschrieben.
Also gibt es Pläne, die Nachtdienstregelung zu reformieren, ziemlich sinnvoll. Den Turnus aber zu vergößern, also zum Beispiel auf einen 12er Turnus umzusteigen, sinnvoll? Hochfrequentierte, „sinnvolle“ Nachtdienste noch stärker zu belasten und dafür halt einfach pauschal weniger nachdiensthabende Apotheken anzubieten?
Abgesehen davon, dass das die Stadt Wien, die über die Einteilung der Apotheken zum Bereitschaftsdienst entscheidet, das nicht so einfach zulassen wird – gibt es nicht eine elegantere Lösung?
Die Idee wäre es doch, zu sinnvollen Zeiten eine ausreichende Anzahl an dienstbereiten Apotheken zu haben und in wenig frequentierten Zeiten eine geringere Anzahl. Zum Beispiel könnte man bis 21 Uhr einen 8er Turnus anbieten (also 40 Apotheken in ganz Wien) und dafür ab 21 Uhr davon dann nur jede 2. Apotheke (einen 16er Turnus mit 20 Apotheken pro Nacht in Wien). Dies würde einer Verbesserung der Situation für die Wiener Bevölkerung bedeuten zu Zeiten, in denen es notwendig ist, und eine Optimierung für die Apotheken in Zeiten, wo es einfach keinen Sinn macht, dass so viele Apotheken dienstbereit sind!
An Feiertagen könnte dann wieder der 8er Turnus greifen, weil es am Sonntag oder an Feiertagen durch die Frequenz in den Ambulanzen oder bei Kinderärzten wiederum Sinn macht!
Ähnlich wird es zum Beispiel jetzt schon bei den Ärzten gemacht: Um die Spitäler zu entlasten werden in Wien mittlerweile mehrere Ordinationen in hochfrequenten Zeiten zusätzlich betrieben, Kinderärzte am Sonntag oder im AKH eine Hausarztordination täglich bis 22 Uhr – siehe dieser Presse-Artikel dazu. Warum nicht analog dazu auch bei den Apotheken?
Damit hätte man eine schöne Flexibilisierung mit einer Win-Win-Situtation für die Apotheke und die Stadt Wien geschaffen!